Kleine Chronologie der Vennbahn

auf der Basis von zeitgenössischen Zeitungsmeldungen

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7.Dez.1863:

Eine belgische Gesellschaft erhält die Erlaubnis zum Bau einer Eisenbahn von St. Vith und Malmedy über Monschau und Eupen nach Aachen.

Das Projekt kommt jedoch nicht zur Ausführung.

11.Mai 1875:

Erteilung einer Erlaubnis zu Vorarbeiten an einer Verbindungsstrecke zwischen Stolberg und der "Wilhelm-Luxemburger-Bahn".

Späteres Ergebnis dieser Bemühungen : die Zweigbahn Walheim-Breinig-Stolberg.

1880:

Die "Eisenbahnfrage" ist im Monschauer Land in aller Munde. Obwohl in Berlin noch nicht endgültig bewilligt, beginnt man bereits mit vorbereitenden Rodungen.

20.April 1882:

Die Eifelbahn ("Hohe-Venn-Bahn") wird im Plenum des Abgeordnetenhauses in Berlin genehmigt.

1883-1884:

Nachdem die erforderlichen Mittel bereitstehen (davon ein beträchtlicher Teil aus der Privatwirtschaft), beginnt der Bau einer zunächst eingleisigen Eisenbahnstrecke, welche Aachen mit St.Vith verbindet (und damit die Verbindung schaffen soll zwischen linksrheinischem und dem luxemburgischen Netz).

Die Stationen sind auf der Hauptstrecke: (Höhenmeter über NN)

Aachen Hauptbahnhof 186,02
AC Rothe Erde 182,05
Cornelimünster 245,00
Walheim 270,08
Raeren 338,14
Roetgen 414,50
Lammersdorf 550,00 (!)
Konzen 550,00
Montjoie 517,00
Kaltherherberg 505,00
Sourbrodt 561,00
Bütgenbach 560,00
Weismes 507,09
Montenau 425,00
St.Vith 400,00

Neben zahlreichen Dämmen, Brücken und Durchlässen waren besonders die vier grossen Steinviadukte bei Brand, Cornelimünster, Kaltherherberg und Weismes kostenintensiv.

 

28.Mai 1884 Grundsteinlegung zum Viadukt über den Hermesbach bei Kaltherherberg/ Reichenstein.
24.Sept.1884 Das Teilstück Monschau - Malmedy wird eröffnet.
2.Juli 1885

Das Teilstück Aachen - Monschau ist vollendet.

Dies ist der offizielle Geburtstag der Vennbahn.Die Eröffnungsfeierlichkeiten dauern 3 Tage.

Juli 1886

Der Anschluss an St.Vith ist fertig. Mit der oben erwähnten Zweigbahn nach Stolberg (über einen weiteren Viadukt ) ist das geplante Streckennetz jetzt komplett.

Der Verkehr auf der "Hohe-Venn-Bahn"ist von Beginn an rege. Das Frachtaufkommen nimmt rasch zu. Neben der Regionalversorgung anliegender Betriebe und dem Personenverkehr ist die Bahn auch von überregionaler Bedeutung: bis zu 30, kurz vor dem Krieg sogar bis zu 50 schwere Züge verkehren täglich, oft doppelt bespannt, mit luxemburger Erz für die Hüttenwerke in Aachen-Rothe Erde und umgekehrt mit Ruhrkohle für Luxemburg.

Der Personenverkehr beschränkt sich auf 3-5 Zugpaare pro Tag, zusätzlich Arbeitersonderzüge zum Wochenende sowie Ausflugszüge.

Besonders die Bahnhöfe in Roetgen und Konzen waren als Ausganspunkte für Ausflüge beliebt. (Als Kind in den Sechzigern hörte ich noch den Ausspruch: "Hej es jett loss wie an Konzer Bahnhoff!")

Ein Kuriosum: Die Vennbahn ist die vermutlich einzige Secundärbahn Preussens, die alle vier Wagenklassen führte: dem Kommandanten des preussischen Truppenübungsplatzes Elsenborn im Rang eines Generals stand nämlich die 1.Wagenklasse zu.. Es gab auch 'beschleunigte Züge' welche nicht überall hielten, von der Bevölkerung "Schnellzüge" genannt.

14.Sept. 1890

Zwischen Kalterherberg und Monschau kommt es zu einem Zusammenstoss, bei dem 5 Menschen sterben. Ein ausführlicher Bericht hierzu findet sich im "Jahrbuch Monschauer Land 1985".

1891 Die kleinen Stauwehre an Weser und Laufenbach in Roetgen und Monschau werden errichtet. Die Lokomotiven können jetzt in diesen Orten mit Wasser versorgt werden.
1893

Zwischen Walheim und Lammersdorf wird die Vennbahn zweigleisig ausgebaut.

Dies war aufgrund des erhöhten Zugaufkommens dringend notwendig geworden. Der Unfall von 1890 beschleunigte die Entscheidung. Da aber die Viadukte nur eingleisig waren, blieb der Streckenabschnitt Brand-Walheim ebenfalls eingleisig.

Neben anderem verhinderte diese Entscheidung die von vielen Seiten angestrebte Umstufung in eine Vollbahn.

1900 Zweigleisiger Ausbau bis Monschau.
1907 Der erst 23 Jahre alte Viadukt bei Reichenstein wird durch einen zweigleisigen und gleichzeitig 5 Meter höheren ersetzt. Reste des ersten Viaduktes sind heute noch zu sehen.
1910

Das "Silberjubiläum" der Vennbahn wird in der Presse gefeiert.

In diesen Jahren hat die Vennbahn ihre beste Zeit. Bis zu 50 Ferngüterzüge verkehren täglich, dazu 6 Personenzugpaare, Nahgüterzüge und Sonderzüge. Hinzu kommt die steigende Zahl von Militärtransporten. Es gibt Sondereinrichtungen zur Versorgung von Soldaten und Pferden, in Roetgen z.B. ein besonderes Gleis, auf dem ein kompletter Zug versorgt wird.

1914

Nach Ausbruch des ersten Weltkriegs wird wird die Bahn vorerst unter militärische Verwaltung gestellt. Der Zivilverkehr geht weiter, ist aber eingeschränkt und dem Militär nachgeordnet.

Die belgisch-französische Front wird von hier aus mitversorgt. Die strategisch günstige Lage hat sicherlich dazu beigetragen, das Berlin dem Bau der Vennbahn zustimmte; eine reine 'Aufmarschbahn' war die Vennbahn aber nie, sondern auch zu Kriegszeiten ein wichtiges Verkehrsmittel zur Erschliessung der unwegsamen Eifel.

9.Aug.1916 Im Bahnhof Roetgen kommt es zu einem schweren Auffahrunfall, bei dem ein Bahnbediensteter getötet wird. Ein Güterzug fuhr auf eine stehenden Pferdetransport auf.
November 1918 Nach dem Krieg wird der Betrieb trotz des stark verringerten Frachtaufkommens zunächst weitergeführt.
1919 Das Königreich Belgien erhebt Anspruch auf die Vennbahn.
1.Nov.1921

Eine internationale Kommission, bestehend hauptsächlich aus Vertretern der Siegermächte, entscheidet sich ungeachtet der vehementen Proteste der Bevölkerung für eine Übergabe der Vennbahn.

Zusätzlich zu den Teilstrecken südlich von Kalterherberg, welche durch die Übergabe der Region Eupen-Malmedy jetzt auf belgischem Gebiet verlaufen, wird auch die über deutschem Territorium verlaufende Strecke zwischen Raeren und Kalterherberg einschliesslich eines grossen Teils der westlich der Bahn gelegenen Ländereien belgisch.

Damit wird die Vennbahn überregional bedeutungslos. Lokalverkehr findet aber noch statt, ebenso Personenverkehr. Zuerst in Walheim und später in Raeren wird die Lokomotive und das Personal gewechselt.

Raeren und Kalterherberg werden Zollstationen. Die Amtssprache bleibt deutsch.

1935

Zum 50-Jahres-Jubiläum der Vennbahn wird in vielen Festreden und Zeitungsartikeln der Unmut über die immer noch als Unrecht angesehene Annektion deutlich.

Die unbefriedigende Situation gibt Anlass für nationalistische Polemik. Radikale Untertöne sind unüberhörbar.

10.Mai 1940

Beim Einmarsch der deutschen Truppen in Belgien wird die Vennbahn 'zurückerobert'. Dazu sind lediglich einige belgische Beamte zu verhaften.

Die Bahnanlagen bleiben während des Krieges in Betrieb und werden nur wenig beschädigt. Erst die zurückweichende deutsche Wehrmacht sprengt 1944 die Viadukte und den 'Konzer Bahnhof'.

8.Sept.1944

Der 18-Uhr -Zug Aachen-St.Vith wird kurz vor Brand von amerikanischen Tieffliegern beschossen. Es gibt mehrere Tote .

Dies war der letzte fahrplanmässige Zug auf der Vennbahn - bis heute.

10.Sept. 1944

Erneut wird ein Morgenzug bei Lammersdorf von Fliegern attackiert, wieder gibt es einen Toten.

In der Nacht fahren die letzten Züge, mit Flüchtlingen überfüllt, regellos Richtung Aachen.

11.Sept. 1944

Der letzte deutsche Zug verlässt am Morgen den Roetgener Bahnhof.

Die Wehrmacht sprengt Signale und Weichenanlagen. Am nächsten Tag wird Roetgen als erster deutscher Ort von den Amerikanern eingenommen. Die New York Times berichtet, und ein amerikanischer Jeep vor dem Roetgener Bahnhof ziert die Titelseite von Warweek, einem US-Truppenmagazin.

16.Feb.1945 Ein Nachschubzug passiert den Roetgener Bahnhof, mit amerikanischer Lok und amerikanischen Wagen. Die US-Truppen reparieren die Gleisanlagen und Brücken notdürftig; dennoch sind Teile dieser Notreparaturen noch heute erhalten, z.B. am Viadukt zwischen Kornelimünster und Breinig.
8.Mai 1945

Nach dem Krieg erliegt der Verkehr auf der Vennbahn völlig. Die Besatzungstruppen setzen nur das nötigste instand; das nicht mehr notwendige zweite Gleis bleibt unrepariert und wird später ganz abgebaut.

Die Vennbahn wird wieder belgisch. Zollprobleme und Schikanen verzögern die Inbetriebnahme um Jahre. An der neuen Grenze blüht der Kaffeeschmuggel und führt zeitweise zu Wildwest-ähnlichen Verhältnissen. Unter diesen Umständen besteht auf belgischer Seite wenig Interesse, die Bahnlinie zu reaktivieren.

Feb. 1947

Der regionale Güterverkehr wird wieder aufgenommen. Deutsche Firmen, besonders die Fa. Junker in Lammersdorf sind noch auf die Bahn angewiesen.

Ein Personenverkehr findet nicht mehr statt. Nur Sonderzüge verkehren sporadisch.

1950